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Andacht zum Monatsspruch Juli

Lie­be Le­ser­innen und Leser,

der bib­li­sche Mo­nats­spruch für den Juli ist für mich in die­sem Jahr wie ein Pauken­schlag:

Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.

Die Bibel: 2. Mose 23, 2       

Ganz schön ge­wagt, denke ich mir – so ein Spruch aus­ge­rech­net im »Su­per­wahl­jahr«. Ist es jetzt nicht viel eher dran, Ver­trau­en in die Ver­nunft der Mehr­heit zu ge­winnen? Lebt nicht unsere De­mo­kra­tie ge­rade von die­sem Ver­trau­en? Ist ein sol­cher Bi­bel­spruch nicht wie Ben­zin auf dem Feuer un­de­mo­kra­ti­scher Gesinnungen?

Manch­mal hilft es, erst­mal ei­nen Schritt zu­rück­zu­tre­ten. Und manch­mal hilft es auch, Aus­sa­gen in ih­rem Zu­sammen­hang zu sehen.

Al­so tre­te ich zu­nächst ei­nen Schritt zu­rück. Da er­kenne ich: Ja, es gibt tat­säch­lich kei­ne Ga­ran­tie, dass die Mehr­heit immer Recht hat. Das se­hen wir deut­lich im Blick auf un­se­re Ge­schich­te. Auch to­ta­li­tä­re Sys­teme konnten von Men­schen­massen un­ter­stützt wer­den und gleich­zei­tig von Men­schen­ver­ach­tung, Hass und blin­der Ge­walt ge­lenkt sein. Es ist al­so nicht immer hilf­reich, auf die Ver­nunft der Masse zu ver­trau­en – denn das kann am Ende auch zu blin­dem Mit­läu­fer­tum führen.

Aber was kann dann Ori­en­tie­rung geben, wenn es nicht immer die Stimme der Mehr­heit ist?

Hier hilft es mir, den Bi­bel­vers in sei­nem Zu­sammen­hang zu le­sen. In der Luther­bi­bel hat das 23. Ka­pi­tel im 2. Buch Mose fol­gen­de Über­schrift be­kommen: »Ge­bo­te der Ge­rech­tig­keit und Nächsten­lie­be«. Und die er­sten drei Ver­se sind da so über­setzt:
»Du sollst kein fal­sches Ge­rücht ver­brei­ten; du sollst nicht ei­nem Schul­di­gen Bei­stand leis­ten, in­dem du als Zeu­ge Ge­walt deckst.
Du sollst der Men­ge nicht auf dem Weg zum Bö­sen fol­gen und nicht so ant­wor­ten vor Ge­richt, dass du der Menge nach­gibst und vom Rech­ten abweichst.«

Die Ver­se sind ein­ge­bettet in ei­nen Appell ans Ge­wissen: Prü­fe in je­der An­ge­le­gen­heit, was wirk­lich auf­rich­tig und wahr­haf­tig ist! Lass dich nicht ver­ein­nah­men von aggressiver Stimmungs­mach­erei! Be­trach­te die Welt, dei­nen All­tag, dein Um­feld nicht in schwarz-weiß, son­dern so, wie sie ist: bunt – mit allen Fein­hei­ten und Schattierungen. Differenziert.

Ja, es ist nicht immer leicht, ei­ne ei­ge­ne Po­si­tion zu fin­den im Lärm der un­ter­schied­li­chen Stimmungen un­se­rer Zeit. Und es ist erst recht nicht leicht, eine Po­si­tion zu ver­tre­ten, mit der man sich von den Men­schen in sei­nem eng­eren Um­feld un­ter­schei­det. Aber es ist wohl be­son­ders (aber nicht nur) im Su­per­wahl­jahr ge­bo­ten, acht­sam die ei­ge­ne Hal­tung zu prü­fen und zu hin­ter­fra­gen: Von wem und was lasse ich mich be­ein­flussen? Wo­für ent­schei­de ich mich? Wo­ge­gen? Wel­che Rolle spielt mein Glau­be bei alledem?

Hoffen wir, dass Gottes Maß­stab der Ge­rech­tig­keit und Nächs­ten­lie­be auch in allen an­steh­en­den Wah­len ei­nen Platz findet.


Im Namen aller Mitarbeitenden grüßt Sie
Ihr Pfarrer Sebastian Kreß