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Andacht Oktober/November 2025

»Tragt in die Welt nun ein Licht.
Sagt allen: Fürchtet euch nicht.
Gott hat euch lieb, groß und klein.
Seht auf des Lichtes Schein.«

Jedes Jahr spielen die Orgel oder der Posaunenchor dieses schlichte Lied am Ende der Martins­andacht. In Hohn­stein, Lichten­hain, Sebnitz und Ulbers­dorf klingt es und erinnert in dieser dunklen Jahreszeit an eine Geschichte, so alt und so oft erzählt, dass sie jeder kennt:

Es ist eine kalte, dunkle Nacht. Ein Mann sitzt am Stadt­tor. Er hat kaum noch etwas – und schon gar nichts, was ihn wärmen könnte. Der Frost beißt, die Kälte kriecht in die Glieder, und er zittert. Viele gehen vorbei, manche sehen weg, manche sehen ihn nicht einmal. Für den Mann bedeutet diese Nacht: Vielleicht ist es seine letzte.

Fühlen Sie sich auch manchmal wie dieser Bettler?
Ich meine – hoffentlich haben Sie solche Kälte und solchen Hunger nie am eigenen Leib erlebt. Aber das Gefühl, nicht zu wissen, wie der nächste Tag werden soll, das kennen viele: Wie man diese eine Sache schaffen soll, wenn sie einem zu groß erscheint. Oder das Gefühl, dass einem etwas schwer im Magen liegt und man keinen Bissen herunter bekommt. Dieses lähmende Gefühl, das man einfach nicht loswird.

Da kommt Martin, ein Soldat, zu Pferde. Auch er spürt die Kälte, doch er trägt einen warmen Mantel. Er könnte vorbeireiten. Aber er hält an. Er sieht den Bettler. Er steigt ab, zieht sein Schwert – und teilt den Mantel. Eine Hälfte schenkt er dem frierenden Mann. In dieser Geste liegt mehr als ein Stück Stoff. Da geschieht etwas: Hoffnung. Wärme. Licht im Dunkel der Nacht.

Und haben Sie das schon einmal erlebt? Dass jemand kommt und Ihre Lähmung vertreibt? Dass die schlaflose Beklemmung im Angesicht großer Aufgaben durch die Nähe eines Menschen zur Ruhe wird? Ich wünsche Ihnen, dass Sie solche Erfahrungen immer wieder machen dürfen.

Martin teilt seinen Mantel. Er wird zum Lichtträger – und geht seines Weges. In der Nacht erscheint ihm Christus im Traum. Christus trägt den halben Mantel und Martin erkennt: Mit seiner Geste hat er Christus selbst gedient. Und Christus gibt ihm einen Auftrag: »Werde mein Lichtträger, Martin. Komm in meinen Dienst.« Martin zögert nicht. Er folgt dem Ruf.

Und wir? Kennen wir unseren Auftrag schon? Ich glaube, Christus hat nicht nur Menschen wie den heiligen Martin zum Lichtträger berufen, sondern auch Sie und mich.
Manchmal gelingt es uns besser, und unser Licht leuchtet hell und weit. Manchmal gelingt es uns weniger, und wir fürchten, dass unsere kleine Flamme bald verlöscht. Für Gott aber ist nicht entscheidend, wie hell wir leuchten. Entscheidend ist, dass wir uns von seinem Licht immer wieder entzünden lassen – Tag für Tag.

Dann können wir Licht­träger werden, gerade in den kleinen Gesten, die im Dunkel Wärme schenken: ein Stück Zeit, ein offenes Ohr, ein freund­liches Wort, eine helfende Hand. Es sind kleine Dinge, und doch können sie Großes bewirken.

Darum: Tragt in die Welt nun ein Licht …

Herzliche Grüße
Ruth Gulbins